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Änderung der Gesetzeslage für Medizinproduktehersteller in Deutschland

Ab 20. Mai 2020 gelten für Medizinproduktehersteller zwei neue Gesetze.

  1. Das Medizinprodukte-Anpassungsgesetz-EU (MPAnpG-EU), das in geänderter Form am 05.03.2020 vom Bundestag als Gesetzesentwurf verabschiedet wurde, sowie
  2. Das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG).

Das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) wird das Medizinproduktegesetz (MPG) ablösen. Interessant für Hersteller von IVDs ist die Tatsache, dass das MPDG zunächst nur für die der Verordnung (EU) 2017/745 unterfallenden Produkte (also Medizinprodukte) gilt. Nicht erfasst sind zunächst die In-vitro-Diagnostika im Sinne der Verordnung (EU) 2017/746. Für diese gilt das MPG in der bis einschließlich 25. Mai 2020 geltenden Fassung bis zum Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/746 am 26. Mai 2022 fort.

Auch wenn die MDR bereits gesetzlichen Character hat und damit, wie alle EU-Verordnungen keine Überführung in nationales Recht benötigt, bedarf es nationaler Regelungen die z.B. definieren, welche Behörden, die im jeweiligen Land zuständig sind, Strafen wie Freiheitsstrafen und Bußgelder festsetzen oder besondere nationale Anforderungen bzw. Regelungen beschreiben. Darunter fällt z.B. die Regelung ob im jeweiligen EU-Land wiederaufbereitete Medizinprodukte überhaupt verkehrsfähig sind.

Was ändert sich nun konkret mit dem MPDG?

Die MDR und die IVDR geben den gesetzlichen Rahmen bereits vor. Daher enthält das MPDG im Gegensatz zum MPG viele Festlegung wie die Konformitätsbewertungsverfahren nicht mehr. Das Strafmaß (3-5 Jahre) bleibt unverändert, allerdings definiert das Gesetz zusätzliche Straftatbestände, die z.B. das Inverkehrbringen von gefälschten Produkten.  Dies ist besonders prekär, da einem Inverkehrbringer von gefälschten Produkten in der Regel gewerbsmäßiger Verstoß unterstellt werden wird, der mit bis zu 5 Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann.

Ebenfalls mit Freiheitsentzug, können der nicht MDR konforme Beginn oder die Fortführung von klinischen Prüfungen geahndet werden. Ebenso das Inverkehrbringung von Produkten, ohne diese bzw. den Hersteller registriert zu haben. Ebenfalls strafbewährt sind irreführende Angaben machen auf dem Produkt, der Verpackung, der Gebrauchsanweisung oder in Werbematerialien.

Dies erfordert besondere Achtsamkeit seitens der Hersteller bei der Erstellung und Freigabe von Werbematerialien. Den Bußgeldkatalog hat das MPDG ebenfalls erweitert, die Geldbußen belässt es aber bei maximal 30.000 EUR. De Facto übernimmt die „Für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person“ die Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten, der damit Geschichte ist. Weiterhin wird es aber Medizinprodukteberater in Deutschland geben, die entsprechende Sachkenntnis nachweisen müssen. Anforderungen and die Beantragung, Durchführung und Überwachung von klinischen Studien ist detailliert geregelt und geht teilweise über die Anforderungen der MDR hinaus. Eine signifikante Änderung in der Zuständigkeit der Behörden ergibt sich daraus, dass zukünftig die Bundesbehörden (und nicht die Landesbehörden) für das Ergreifen von Schutzmaßnahmen gegen unvertretbare Risiken zuständig sein werden. Anordnung eines Rückrufs, Untersagung des Vertriebs bzw. Unterrichten der Öffentlichkeit wird daher wohl zukünftig direkt vom BfArM durchgeführt. Zusätzliche Vorgaben zu den Vorgaben der MDR enthält das MPDG für folgende Bereiche:

Klinische PrüfungenDie Anforderungen an klinische Prüfungen müssen auch dann eingehalten werden, wenn diese Studien, nicht dem Nachweis des Nutzens sowie der Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Produkte dienen, sondern neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Das MPDG verpflichtet Hersteller, auch bei weniger kritischen Produkten erst nach Zustimmung durch die Bundesoberbehörde klinische Prüfungen zu beginnen. Zudem legt es die Latte für klinische Prüfungen an besonderen Probanden (Minderjährige, nicht in der Lage zu erkennen, um was es geht, Gefangene usw.) höher als die MDR. Es beschreibt auch die Interaktion mit der Ethik-Kommission und deren Vorgehen genauer. Personenbezogene Daten, die bei klinischen Prüfungen erhoben werden, müssen durch die Prüfer vor der Übermittlung pseudonymisiert werden.

Pflicht zur Registrierung für Unternehmen, die Sterilisieren oder keimarm Aufbereiten: Betriebe, die Medizinprodukte sterilisieren oder keimarm für andere aufbereiten, müssen sich bei den Behörden registrieren. Das gilt auch für Firmen, die implantierbare Sonderanfertigen der Klasse III herstellen.

Sprachanforderung and Kennzeichnung: Informationen, die mit dem Produkt geliefert werden (Kennzeichnung) müssen in deutscher Sprache abgefasst sein. Ausnahmen gelten bei Produkten, die für die professionelle Anwendung bestimmt sind. Vorführgeräte müssen explizit gekennzeichnet sein (zumindest, wenn sie den Anforderungen der Verordnungen nicht genügen).

Unklarheiten bzgl. Klassifizierung: Im Fall eines Streites zwischen Hersteller und Benannter Stelle über die Klassifizierung entscheidet die Bundesoberbehörde. 

Maßnahmen seitens der Behörde: §74 des MPDG verpflichtet die Behörden, bei Untätigkeit eines Wirtschaftsakteurs zu handeln. Aufgrund einer fehlenden Definition bleibt unklar, wie schnell ein Wirtschaftsakteur handeln muss.

Umgang mit dem MPDG seitens des Herstellers

Es ist dringend anzuraten, dass Firmen, die in Deutschland Medizinprodukte herstellen oder in den Verkehr bringen, Firmen, die klinische Prüfungen durchführen oder auch nur als Sterilisationsdienstleister auftreten, das MPDG eingehend studieren. Leider gibt es bisher keinen konsolidierten Anforderungskatalog. MDR Konformität allein ist nicht ausreichend. Hersteller kommen nicht umhin, Ihre Verfahrensanweisungen zu überprüfen und ggf. an die Anforderungen des MPDG anzupassen. Hierzu ist eine Gap-Analyse als erster Schritt unerlässlich.

Fazit

Hersteller und Inverkehrbringer von Medizinprodukten in Deutschland, aber auch diejenigen, die klinische Studien durchführen sowie Sterilisationsdienstleister kommen nicht umhin, sich eingehend mit dem MPDG auseinander zu setzen. Reine Konformität mit der MDR ist nicht ausreichend. Prozesse müssen nach Anpassung an die Vorgaben der MDR zusätzlich auf Konformität mit dem MPDG überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden.

Veröffentlicht am:: März 17, 2020
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